Fesselnde Action und fordernde Akrobatik.
Test von Benjamin Schmädig Redakteur
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Der Mix aus Action und Akrobatik ist so packend wie sein Vorgänger, bietet aber viel mehr Möglichkeiten Gegner zu umgehen und zu beseitigen.
Eins muss ich vorwegnehmen: Falls ihr aus Spoilergründen erst den Vorgänger 2 beenden wollt, bevor ihr mit Ghostrunner 2 startet, dann hört nach diesem Absatz auf zu lesen. Ghostrunner 2 macht nämlich nicht nur dort weiter, wo Teil eins geendet hat. Es geht auch so häufig und explizit auf das dort Geschehene ein, dass man um praktisch keinen zentralen Eckpunkt der vorhergien Geschichte herumkommt.
Nun ist die Story nicht der wesentliche Grund, aus dem man Ghostrunner gespielt hat. Der lag eher in den knackigen Herausforderungen, wenn man als kybernetisch gepimpter Schwertschwinger in bester Mirror’s-Edge-Manier an Wänden entlang gesprintet, sich über Greifhaken durch die Luft gezogen und Gegner zerschnitten hat, ohne dabei einen einzigen Treffer einzustecken. Jeder davon bedeutete nämlich der sofortigen Tod – beziehungsweise natürlich einen Neustart der aktuellen Arena.
Und das ist freilich noch immer so. Immerhin wurde Jack nach seinem Ende reaktiviert und schwingt sich genauso behände umher, rutscht ebenso elegant unter Lichtschranken hindurch und erwidert feindliche Angriffe mit der gleichen martialischen Konsequenz, für die er bereits bekannt war. Nur dass er das alles diesmal noch viel effektiver tut als in seinem ersten Abenteuer. Das Ergebnis: Die Action ist deutlich flüssiger, abwechslungsreicher, offener und damit weniger frustrierend als zuletzt.
Verliert Ghostrunner 2 also seinen Schrecken als beinharter Plattformer? Mitnichten! Jeder Treffer bedeutet noch immer einen Neustart und einzelne Situationen muss man nach wie vor perfekt bestehen. Man hat allerdings viel mehr Möglichkeiten so eine Situation zu gestalten und kann sich damit individuell auf einzelne Gegner einstellen. Überspitzt formuliert geht es jetzt weniger darum den einen vorgegebenen Weg zu meistern als vielmehr fehlerfrei seinen eigenen Weg zu gehen.
Nehmt zum Beispiel das Abwehren feindlicher Schüsse. Die konnte Jack im Vorgänger schon zurückwerfen, wenn er im richtigen Moment einen Hieb ausgeführt hat. Das funktioniert immer noch – nur gibt es inzwischen eine extra dafür vorgesehene Taste, mit der man nicht nur diesen Konter auslöst, sondern sie auch gedrückt halten kann, um Beschuss so lange abzuwehren, wie Jacks Ausdauer das durchhält.
Man ist zum Verlangsamen der Zeit nicht mehr auf spärlich verteilte Extras angewiesen, sondern erarbeitet sich diese Möglichkeit auf verschiedene Art selbst. Mit dem Shuriken lässt man nicht nur Fässer explodieren, um im besten Fall eine ganze Gruppe von Feinden auszuschalten, man kann damit auch manchen Container von seiner Halterung an der Decke lösen… Einen ähnliche einschlagende Wirkung hat das Herunterziehen großer Werbetafeln mit dem Greifhaken.
Für mich ist der Greifhaken ohnehin das coolste von Jacks Werkzeugen. Damit kann man sich nämlich auch blitzschnell an Gegner heranziehen, die man zuvor durch eine Druckwelle durch den Raum geschleudert hat. Ersticht man sie anschließend noch in der Luft, genießt man ein paar Sekunden lang die erwähnte Bullet Time. Oder aber man setzt Angreifer durch ein Shuriken außer Gefecht, um sich dann nicht nur an sie heranzuziehen, sondern sie mit der gleichen Bewegung auch auseinanderzunehmen. So spielt man sich in einen rasanten Flow, der mutige Aktionen mit mächtigen Finishern belohnt. Zumal auch die Steuerung diesmal noch besser von der Hand geht, weil sie mehr Fehler verzeiht, ohne die Herausforderung zu verwässern.
Dabei lässt das neue Tempo mehr Zeit zum Durchatmen, weil viele Arenen größer sind als zuletzt. Dadurch hat man mehr als im Vorgänger Zeit sich die nächsten Gegner zurechtzudenken. Hinzu kommen einige weite, relativ offene Areale, in denen Jack mehrere Aufgaben in voneinander getrennten Arealen erledigen muss. Dort kann man in Ruhe die schicken Cyberpunk-Kulissen erkunden, während man versteckte Extras sucht und optionale Herausforderungen (Zeitrennen oder das Erledigen aller Gegner, während die Uhr läuft) erledigt, wofür man oft sogar ein paar Kopfnüsse knacken muss, um den richtigen Weg zu finden.
Und dann gibt es selbstverständlich noch das neue Motorrad, mit dem man zum ersten Mal außerhalb des gigantischen Wolkenkratzers unterwegs ist, in dem die Menschheit ihr futuristisches Dasein fristet. Passt dieser Tapetenwechsel denn zum Spiel? Erstaunlicherweise ja. Es gibt Sequenzen im Sattel des Bikes, bei denen man quasi reines Adrenalin injiziert bekommt. Überhaupt will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass man in Teil zwei wie schon im Vorgänger stark inszenierte Boss-Situationen erlebt. Freut euch auf ein paar erinnerungswürdige Höhepunkte!
Schön auch, dass die Akrobatik selbst auf zwei Rädern nicht zu kurz kommt. Spätestens, wenn man vom Motorrad abspringt, um ein flaches Hindernis zu überwinden und sich kurz darauf mit dem Greifhaken wieder in den Sattel zieht, um ohne Unterbrechung weiter zu rasen, fühlt sich das einfach klasse an.
Ghostrunner 2 ist sowohl digital als auch auf Disc erhältlich – Letzteres allerdings nur im Fall der Konsolenfassungen. Die findet ihr bei den üblichen Händlern, während die PC-Version nicht nur auf Steam, sondern auch bei GOG und im Epic Games Store verkauft wird. Alle Ausgaben schlagen mit knapp 40 Euro zu Buche.
- Epic Games Store
- GOG
- Steam
- Saturn
- Amazon
- Hervorragend spielbarer und sehr abwechslungsreicher Ego-Plattformer
- Viele ruhige Momente, in denen Erkunden im Vordergrund steht…
- Zurechtschneiden der Fähigkeiten ja nach eigenen Vorlieben…
- Fast jede Herausforderung kann auf verschiedene Art gelöst werden
- Aufregende, stark inszenierte Boss-Situationen
- Kleiner und optionaler Roguelike-Modus zum Verdienen von zusätzlicher Währung
- Nicht übermäßig viele, aber regelmäßige kleine Programm-, KI- und Designfehler
- … mitunter aber auch ein wenig zu viel Leeerlauf
- … in einem etwas zu umständlichen und nicht immer sinnvollen Skill-Baukasten
So perfekt wie das Springen und Klettern nur zu Fuß ist das Fahren allerdings nicht. Zum einen ist die Fahr“physik“ nämlich… sagen wir mal zweckdienlich. Zum anderen fallen spätestens im Umgang mit dem Bike einige Unstimmigkeiten auf. So bleibt das Motorrad gerne mal so in der Umgebung hängen, dass man es nur mit einem Zurücksetzen zum nächsten Checkpunkt wieder in die Spur bekommt. Gut, dass die Speicherpunkte ausnehmend fair verteilt sind! Dem Spielfluss ist so ein Zurücksetzen aber natürlich nicht zuträglich.
Ich muss an dieser Stelle ohnehin darauf hinweisen, dass eine Reihe kleiner Fehler zwar nicht ständig, aber auffallend regelmäßig auftaucht. Dazu zählen Feinde, die am Fleck hängenbleiben oder seltsam planlos durch ihre Arena laufen, um dann vor einer unsichtbaren Linie stehenzubleiben. Im Menü ist es mir außerdem mehrmals passiert, dass ich das Gamepad nicht mehr benutzen konnte. Und wenn man in frühere Räume zurückkehrt, kann es schon mal sein, dass dort verschiedene Interaktionspunkte gar nicht mehr existieren. Es gibt noch mehr solcher Probleme, die hin und wieder dazwischenfunken.
Als richtig ärgerlich empfinde ich weiterhin die niedrige Bildrate von Figuren, die sich zwar in der Distanz, aber gar nicht mal allzu so weiter Entfernung von Jack befinden. Die zuckeln nämlich deutlich stockend durch die Gegned und ändern das erst, wenn man ihnen näherkommt - ja, auch am PC. Das fügt dem sonst sehr überzeugenden visuellen Eindruck doch eine empfindliche Delle zu.
Aber zurück zum Spiel und einer für Manche sicherlich wichtigen Entwarnung: Wenn ich gerade eine Außenwelt erwähnt habe, meine ich damit keine Open World. Das Gebiet um den Wolkenkratzer herum ist zwar recht groß, allerdings führen dort fast ausschließlich leere Straßen durch enge Täler oder über schmale Highways, um an einigen fürs Vorankommen entscheidenden Stationen zu enden, wo man dann wieder zu Fuß in normalen, überschaubaren Levelabschnitten unterwegs ist. Nur an wenigen Stellen findet Jack abseits des Wegs versteckte Extras oder optionale Herausforderungen.
Im Grunde ist der Außenbereich also lediglich eins dieser großen Gebiete, in denen man ein wenig durchatmen kann. Wobei ich dennoch sagen muss, dass es in diesem Teil des Trips insgesamt zu viel Leerlauf gibt. Das ist nicht schlimm, aber ein strafferes Tempo hätte Ghostrunner 2 im Mittelteil durchaus gutgetan.
Ähnliches gilt für den Ausbau von Jacks Fähigkeiten, die man zwar nicht mehr wie Tetrisblöcke anordnen muss. Weil die Platzierung der Module aber dennoch eine Rolle spielt, empfinde ich das Ganze als unnötig umständlich. Und so wertvoll manche Fertigkeit auch sein mag – denn dazu zählen einige, die ich bei den coolen Aktionen im Kampf erwähnt habe –, so spürt man bei vielen leider kaum, dass sie einen Unterschied machen. Ein Stück weit fühlt sich die Charakterentwicklung daher an wie ein hinterhergeschobenes Anhängsel.
Im Gegenzug hat Ghostrunner 2 eine Stärke, mit der ich in diesem Spiel gar nicht gerechnet hatte: Die Geschichte ist mitsamt ihrer Charaktere erstaunlich sinnig und vielschichtig. Und das sollte sie auch, da Jack diesmal nicht nur auf Kommentare aus seinem Funk antwortet, sondern immer wieder auch in eine Art Hauptquartier zurückkehrt, wo er sich über klassische Dialoge mit Verbündeten unterhält.
Nun sind die Worte, die den Figuren in den Mund gelegt werden, nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Zumal Jack auf eine oft flapsige Art reagiert, die für mein Empfinden nicht zu seiner knorrigen Persönlichkeit passt. Das Kennenlernen der Charaktere sowie das ruhige Verschnaufen tun der Erzählung aber gut und die wendungsreiche Handlung gewinnt dadurch an Farbe.
Dabei spielt selbstverständlich auch der Cyberspace wieder eine große Rolle, der jetzt weniger dröges Rätselhaus ist, sondern vielmehr eine Variante des normalen Kletterns und Kämpfens mit leicht veränderten Regeln. Nicht zuletzt dient er zudem als Spielfeld für Ghostrunner.exe: ein kleines, optionales Roguelike, in dem Jack etwas Währung für den Kauf weiterer Fertigkeiten erhält. Wie gesagt: Abwechslung wird eben diesmal in jeder Hinsicht groß geschrieben.
Ghostrunner 2 – Fazit
Vor allem ist Ghostrunner 2 also ein Nachfolger geworden, der seinen Vorgänger dort übertrifft, wo es drauf ankommt: Die fordernde Plattform-Action fühlt sich noch mal deutlich besser an, weil man nicht nur den relativ vordiktierten Lösungswegen der Entwickler folgt, sondern die Arenen auf eigene Art von Feinden säubern kann. Man kommt leichter in diesen martialischen Flow, bei dem akrobatisches Klettern, Sprinten und Rutschen mit starkem Schwertkampf in einem furiosen Spektakel zusammenfließen.
Ja, das hat seine Längen, eine unnötig unübersichtliche Charakterentwicklung und manchmal sogar ärgerliche Fehler in Sachen Technik und Spieldesign. Dafür protzt Ghostrunner 2 mit einzigartigen Boss-Situationen, ein paar cleveren Rätseln und einer erstaunlich unterhaltsamen Cyberpunk-Mär, die erzählerisch interessanter ist, als sie es bei diesem Spiel hätte sein müssen. Schön, dass der Ego-Plattformer damit schon zum zweiten Mal zeigt, wie satt Action auch abseits des klassischen Shooters rocken… Verzeihung: synthwaven kann!
Ghostrunner 2 | |
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PRO | CONTRA |